Freitag, 24. September:
Kleine Überraschung
Unser Ruhetag gestern hat uns supergut getan. Wir haben schon wieder beste Kondition.
Allerdings sagte am Mittwochabend nach unserer Bergtour Annegret zu mir:
„Hannes, das war der Höhepunkt des Urlaubs! Eigentlich könnten wir jetzt nach Hause fahren, denn toppen können wir das nicht mehr. Aber wir bleiben noch ´ne Woche.“ Und sie sagte noch: „Ich nenne dich Gamsboy, weil du ein so supertoller gämsiger Bergkletterhund bist! Absolut geländegängig!“
Genau! Ich könnte noch viel besser sein, aber das ist mit Annegret im Steilhang und an der Leine sehr mühsam. Trotzdem will ich nicht jammern.
Und nun heute: Wir also wieder voll fit, da will Annegret zum Einkaufen fahren! Hätte sie das nicht gestern an unserem Ruhetag machen können? Wenn´s schon sein muss, will ich aber auf jeden Fall mit.
Ich gucke mir nur noch schnell an, wie „die Kinder“ zur Weide gebracht werden.
Zweimal haben die beiden schon versucht, Richtung Altstädten weiterzulaufen. Da musste der Bauer vielleicht Gas geben und galoppieren, damit er sie auf die Weide gelenkt bekam.
Ich habe übrigens gemerkt, dass ich auch alles gut durch die Schnitzlöcher im Balkongeländer beobachten kann. Mich kann man dann nicht sehen.
Nach dem Einkaufen sagt Annegret: „Hannes, ich habe noch ein Wanderbuch gekauft. Ich glaube, wir werden diesmal wieder nicht fertig hier.“ Dann sieht sie mal schnell nach, ob auch hier das Riedbergerhorn erwandert wird. Tatsächlich. Und wie wird unsere Problempassage beschrieben?
„Hier steht´s, Hannes. Weil ich nämlich weder trittsicher noch schwindelfrei bin und dazu noch erbärmlich ängstlich, deswegen war das für mich kaum zu schaffen.
Aber jetzt habe ich ´ne kleine Überraschung für dich. Wir müssen allerdings ein Stückchen Auto fahren.“
O, da bin ich aber neugierig!
Ich lucher raus und denke: Moment, kenn´ ich doch!
Auf dem Parkplatz trifft mich dann der Schlag:
Wieder die Höllenbahn! Ja, ist Annegret denn total verrückt geworden? Das soll die Überraschung sein? Ich ziehe wie ein Ochse in die entgegengesetzte Richtung! Ohne mich!
Aber da beruhigt mich Annegret und erklärt mit alles: „Hannes, wir gehen zu Fuß! Wir müssen aber nochmal rauf, weil ich nicht nur ´ne alte Kuh, sondern auch ´ne blöde Kuh bin. Ich habe nämlich vergessen, oben etwas Bestimmtes zu fotografieren. Und da habe ich gedacht, bei unseren guten Konditionen können wir das mal eben ohne Höllenbahn schaffen.“
Sie stellt sich nochmal schnell vor den Plan und sagt: „Okay, wir sind jetzt auf 940 Meter, die Zwischenstation ist auf 1340 Meter, die Bergstation auf 1540 Meter. Schaffen wir das in anderthalb Stunden bis ganz oben?“
Sie möchte am frühen Nachmittag wieder zurück sein, weil schlechtes Wetter gemeldet ist mit Gewittern und Temperatursturz.
Na klar schaffen wir das!
Mir ist alles recht, wenn ich nur nicht wieder in solch eine Gondel muss!
Nun nehmen wir die Fahrstraße, weil das wohl der schnellste Weg ist.
Aber – meine Güte – ist das steil!
„Warum nur“, schimpft Annegret, „kann man steil nicht fotografieren?
Dieser Fahrweg ist so steil, dass ich wahrscheinlich nicht einmal im ersten Gang hochkäme! Meine Füße setze ich im 45-Grad-Winkel auf!“
Mir hängt auch schon wieder die Zunge. Zum Glück kommt bald ein Saufnapf.„Hannes“, sagt Annegret, „das kann doch nicht immer Durst sein! Geht es dir wie den Männern, die noch ein drittes und viertes Kölsch brauchen? Nicht weil der Durst so groß ist, sondern weil´s so gut schmeckt!“ Ja, ich glaube, der Vergleich ist gut.
Dann meint sie, es wäre schön, wenn ich nicht nur nach Wasser Ausschau halte, sondern mir auch mal wieder die tolle Berglandschaft ansehe.
Außerdem kann man unsere ganze Strecke von vorgestern überblicken.
Schon nach eineinviertel Stunden kommen wir oben an der Bergstation an. Annegret nassgeschwitzt, ich ausnahmsweise durstig. Jetzt erkennen wir ganz genau den Weg, den wir am Montag vom Riedbergerhorn aus zurückmarschiert sind.
Ganz schön steil. Aber so ist das hier eben!
Annegret zückt ihre Kamera und sagt: „Mir geht es um die Panoramaaufnahmen. Alle Berge mit Beschriftung. Das will ich mir mal eben abfotografieren, weil ich sonst nie lerne, welches welcher Berg ist!“
Wie, – das war der ganze Grund für unsere Bergbesteigung? Erstaunlich, aber wunderbar. Ich würde sogar ohne Grund wieder hierauf gehen.
Beim Abstieg macht Annegret Tempo, weil die ersten Wolken aufziehen. Natürlich nur so viel Tempo, wie ihre Knie zulassen. „Manno“, schimpft sie seit Tagen, „ist das ein Elend! Meine Knie scheinen schneller als ich zu altern!“
An irgendeiner Spitzkehre des Weges vernehmen wir Richtung Wald eine Art Arbeitsmaschinenfahrzeuggeräusch, können aber nichts sehen. Neugierig wie wir sind, müssen wir mal eben einen Abstecher machen.
„Ja, sieh dir mal so was an!“, meint Annegret, „hier klettert ja ein Bagger rum! Faszinierend! So geländegängig wie der ist, ist er bestimmt ein Gams-Bagger! Das muss ich mal bei Google eingeben.“
Wir müssen aber weiter. Immer mehr Wolken kommen. Die erste hängt schon an der Trettachspitze.
Annegret sinniert: „Wenn es schon schlechtes Wetter gibt und wenn ich noch einen klitzekleinen Wunsch frei hätte, dann hätte ich gerne morgen die Berge ein bisschen mit Schnee überpudert. Nur für die Optik.“
Um 4 Uhr sind wir zurück. Annegret will mal eben ein Nickerchen halten. Kaum liegt sie, fährt sie schon wieder hoch: „Ich höre Viehscheid-Glocken! Das kann nicht sein!“ Beide springen wir auf den Balkon. Tatsächlich! Unser Nachbar! Er transportiert mindestens ein Dutzend großer Glocken in seine Garagenscheune.
Na sowas!
Am Abend sucht Annegret im Internet nach Gams-Baggern. Es gibt sie, nur unter anderem Namen: Schreit-Mobil-Bagger.
Wir werden noch richtig urlaubsklug!
Und dann ertönt auf einmal ein Riesenlachanfall. Annegret hat gerade die Fotos vom Nachmittag auf dem PC geöffnet. „O nein!“, japst sie, „guck dir das mal an! Dafür haben wir den Wahnsinnsanstieg heute gemacht!“
Weil die Sonne so geblendet hat, konnte sie auf dem Display nicht erkennen, dass die Zoomfunktion noch eingestellt war.
„Vollkommen unbrauchbar! Ich schmeiß mich weg vor Lachen! Das ist glatt ein Grund, nochmal wieder zu kommen.“
Von Display und Zoomfuntion verstehe ich überhaupt nix, aber vom Wiederkommen. Da mache ich mit!
Samstag, 25. September:
Wunsch erfüllt!
Da staunen wir nicht schlecht bei unserer Vorfrühstücksrunde! Tatsächlich haben die Berge über Nacht ein Schneehäubchen bekommen.
„Mensch Hannes, haben wir ein Glück gehabt! Denk mal, am Mittwoch waren wir noch bei Traumwetter da oben, – du als Gamsboy auf dem Schnippenkopf! Das könnten wir jetzt knicken.“
Von den Alpenbergen kann man gar nichts sehen, die sind total mit Wolken zugehangen. Und bei uns regnet´s. Annegret muss mich nachher einpacken, so nass bin ich geworden.
„Weißt du, so einen Regentag kann ich ganz gut gebrauchen. Da mache ich einen Lesetag draus und du kannst dich deinem Dog-Blog widmen.“ Im Moment liest Annegret ein Hundebuch, das unsere Nachbarfreunde ihr für den Urlaub mitgegeben haben. Zwischendurch bricht sie immer wieder in schallendes Gelächter aus und sagt: „Andere können auch gut schreiben, – nicht nur du!“
Aber ich finde solche Tage langweilig und achte zu meiner Abwechslung auf jedes Geräusch, das ich im Haus höre.
„Für heute Abend könnte ich dir Programm anbieten“, schlägt Annegret vor. „Ich habe da ein Plakat gesehen.“
Aber singe und johle bei dem Wetter mag ich nicht.
Mir steht der Sinn nach einer kleinen Kennenlernbegegnung. Seit Tagen versuche ich, Annegret im Flur ein Stückchen weiter an unserer Treppe vorbei zu ziehen. Endlich mit Erfolg. Ich habe da nämlich was gerochen!
Sieht aus wie ein Schäfchen, riecht wie ein Schäfchen,
ist aber, glaube ich, kein Schäfchen.
Sonntag, 26. September:
Reingelegt!
Stinklangweiliger Sonntag. Kein Berggottesdienst, keine Wanderung, nix. Nur die Vorfrühstücksrunde, danach die Knusperknäuschen. Annegret äußert sich überhaupt nicht, ob wir heute etwas vorhaben. Dabei ist das Wetter gar nicht schlecht.
Also plane ich selbst. Am Mittag, so gegen halb eins, fängt Annegret an zu kochen. Genau der richtige Moment, mein Vorhaben umzusetzen. Ich laufe zum Balkon und warte, ob Annegret mich sieht.
Dann renne ich zur Türe.
Danach wieder auf den Balkon. Ich mache es sehr dringend.
„O nein“, sagt Annegret, „ich wollte mir gerade was kochen. Musst du denn so nötig, Hannes?“
Ja, ich muss ganz extrem doll nötig.
Annegret schaltet die Herdplatten aus, nimmt sich schnell 2 Schokoladenriegel und ´ne Trinkflasche, zieht sich an und dann gehen wir raus.
Nach etwa 10 Minuten sagt sie: „Ich kann überhaupt nicht feststellen, dass du nötig musst. Hast du mich etwa angeschmiert?“
Ich fange ganz eifrig an, Gras zu fressen. Das machen wir Hunde ja manchmal, wenn im Magen etwas nicht stimmt. Obwohl ich selbst jeden Tag Gras fresse, weil´s mir schmeckt und gesund ist.
Wir sind schon fast ´ne Stunde draußen, da kommt von links ein Allgäuer über einen Stacheldraht gestiegen. Als Annegret seinen Pilzbeutel sieht, sagt sie nur: „Also gibt es sie doch!“
Irgendwie muss er ihren pilzgierigen Atem im Nacken gespürt haben, denn prompt erhöht er hat seine Gummistiefelwatschelfrequenz, um Abstand zu bekommen.
So nach gut eineinhalb Stunden sind wir zurück in unserer Ferienwohnung. Annegret schmeißt die Herdplatten wieder an, kocht und isst. Danach sagt sie: „So, jetzt will ich mal eben ein Nickerchen halten“. Genau in dem Moment ziehe ich meine Nummer wieder ab: Balkon – Türe – Balkon, nochmal Türe. Diesmal aber nicht stumm, sondern vertont, und zwar sehr unmissverständlich.
„Ich glaube, du spinnst!“, sagt Annegret. Ich inszeniere aber ein wahres Drama. „Will das Gras wieder aus dem Bauch?“ fragt Annegret. Ja, das Gras will raus, ich aber noch viel lieber!
Also zieht Annegret sich schnaubend wieder an, und wieder geht´s raus.
Nach etwa 20 Minuten sagt sie: „Hör mal, Gamsboy, ich kann überhaupt nicht feststellen, dass mit deinem Magendarmtrakt etwas nicht stimmt. Gib´s zu: Du hast mich nochmal reingelegt!“
Ja, gleich zweimal hintereinander. Da wir aber so gut draußen sind, macht Annegret noch allerlei Fotos.Stellt euch vor, wir sind noch einmal zweieinhalb Stunden unterwegs gewesen.
Am Abend bin ich seeehr zufrieden mit mir. Den Tag habe ich gerettet.
Montag, 27. September:
Dazugelernt!
Also, Annegret hat dazugelernt! Sie sucht gleich früh eine Wanderung raus, aus dem neuen Wanderbuch. „Das passiert mir nicht noch einmal, dass du mich derart an der Nase rumführst!“
Sie findet eine Strecke um die 4 Stunden, ab Obermaiselstein.
Ich bin immer als erster fertig. Wir sollten uns auch ranhalten, denn zum Nachmittag ist schon wieder Regen angesagt.
Aber mit dem Auto sind wir schnell da.
Am Beginn der Strecke sieht Annegret ein Schild. „O guck mal, wenn ich einen Rotstift dabei hätte, würde ich auf dem Schild Folgendes machen“:
Wir sind noch gar nicht lange unterwegs, da wird der Weg mal wieder so was von steil! Steil nach oben, steil nach unten.
Wir steigen wieder bis auf ungefähr 1400 Meter hoch.
„Manno“, sagt Annegret, „ist das hier oben eisig! Ich komme mir nach dem Steilstück zwar vor wie ´ne Dampfmaschin´, aber meine Ohren frieren. Ich muss sie anziehen.“
Heute treffen wir keine Menschenseele unterwegs. Das ist auch mal ganz schön. Annegret hat sich bei unseren langen Wanderungen sehr darüber aufgeregt, dass oft kommentiert wurde, wie gut sie es doch hätte, weil sie von mir gezogen wird! Haha!
„Das ist überhaupt nicht witzig, immer mit dir an der Leine!“ sagt sie.Das ist auch gar nicht witzig, immer mit ihr an der Leine, denke ich.
An unserem höchsten Punkt kommen allerlei Schilder.
„O guck mal, wenn ich einen Rotstift mithätte, würde ich Folgendes machen: Bei Herzberg kommt ein „t“ dazu, dann könnte es Hildes Alpe sein. Und das Wort mit 5 „s“ …“
Bevor unser erster Abstieg beginnt, können wir wunderbar das Geschlängel der Riedberger Passstraße sehen.
Bald fängt´s an zu regnen. Viel zu früh. Aber auch Regenwetter macht durstig.
„So eine schöne Herbststimmung“, sagt Annegret.
Nur die nassen Buchenblätter findet sie nicht gut.
„Nasses Laub ist wie Schmierseife in Scheiben!“
Als wir nach 4 Stunden wieder am Auto sind, fährt Annegret mal eben ganz neugierig die Passstraße hoch. Es regnet allerdings zum Erbarmen.
Erst am Abend klart es wieder auf und wir können jetzt unsere schönen Berge mit Schnee bewundern.
Dienstag, 28. September:
Vom Gamsboy zum Geißenpeter
Das soll unser letzter Tag sein? Da halte ich nun gar nichts von. Und dann noch einmal einkaufen! Aber Annegret sagt, dass wir noch Mitbringsel besorgen müssen. Wir fahren nach Fischen. Nicht, weil es da so viele Souvenirläden gibt, sondern das wunderbare Käsegeschäft. Da kauft sie mancherlei Käsesortenstücke und lässt sie vakuumieren. So bleibt der Käse lange frisch.
Am Nachmittag müssen wir aber wenigstens noch einmal von Beilenberg auf die Höhe.
Wir kommen an „den Kindern“ vorbei.
Tschüss, ihr beiden Lustigen!
Dann taucht mein Lieblingsbottich auf.
Tschüss, du gute Bio-Gemüsebrühe.
Tschüss, du alter Schnippenkopf.
Tschüss, ihr tobeligen Tobel.
Tschüss, ihr lästigen Rindviehcher.
O, was haben wir denn hier?
Es kommen einige Geißlein auf mich zu.
Annegret zückt schnell die Kamera für ein paar Schnappschüsse.
„Elender Mist! Genau jetzt sind die Akkus leer!“ Sie versucht, hinterrücks aus ihrem Rucksack zwei neue zu fingern, dabei muss sie mich an der strammen Leine halten, dazu die Geißen noch auf Abstand halten, die Kamera öffnen und die Akkus wechseln!
Geschafft!
Die Geißen kommen irrsinnig nahe.
Spinnen die? Kaum noch 1 Meter! Jetzt fackel ich nicht lange und mache einen jähen Sprung. Das wirkt!
Sie trollen sich.
„Nein, so was!“, sagt Annegret. „Hannes, jetzt bist du sogar noch ein Geißenpeter geworden!
Wenn wir nochmal hierher kommen, nenne ich dich Alp-Öhi!“
Immer und immer wieder erlebe ich so verrückte Sachen!
Und das am letzten Tag.
Morgen fahren wir.
Ich verabschiede mich von euch aber nochmal extra.