„O“, sagt Annegret, „du und deine Gemüsebrühe!“
Nach dem Viehscheid-Sensationstag, von dem ich euch erzählt habe, haben wir Sonntag nur ´ne kleine Runde gemacht, so 2-3 Stunden. Wir müssen uns ja erst ein bisschen eingewöhnen. Also sind wir zum Sonthofener Hof und noch etwas weiter gestiegen. Es waren bei dem herrlichen Wetter ziemlich viele Leute unterwegs. Das ist nicht so ganz unser Ding. Aber wir haben einen alten Bekannten wieder gesehen, nämlich den Esel hinter mir. Stellt euch vor, der trägt auch ´ne Kuhglocke! So ein Esel!
Annegret erfreut sich ebenfalls an alten Bekannten: Silberdisteln!Ihr Frohlocken nimmt gar kein Ende, als wir an einer Waldwiese auf jede Menge Enzian stoßen.
Aber ich habe schon wieder Durst.
Sie hat sich Allgäu-Krimis mitgebracht. „Genau das Richtige für mich, nicht sehr aufregend, aber amüsant.“
Am frühen Abend soll ich wieder zählen lernen. Das ist so ´ne Macke von Annegret. Seit Jahren kriege ich bis drei vorgezählt. Jeden Morgen! Und zwar so: Annegret frühstückt ja ausschließlich Müsli und ausschließlich eine Sorte:
Nachdem sie die gehörige Tagesportion auf ihren Teller gelöffelt hat (da zählt sie immer bis 7!), sucht sie mir drei besonders schöne Klumpen raus und legt mir die hin. Das sind die sogenannten „Knusperknäuschen“. Und jeden Morgen sagt sie: „Hier kommen die drei Knusperknäuschen, – eins – zwei – drei!“ Damit legt sie sie hin.
Dann kommt noch ganz leise: „Knusper, knusper, knusper…“ und das mache ich dann auch.
Bis auf die Stelle, wo wir wieder durch Kühe durch müssen.
Kaum sehen sie mich, kommen sie schon wieder an. Aber Annegret nimmt ihren Wanderstock als Abstandhalter. So kommen wir einigermaßen durch.
… und ein ziemlich menschenfreundlicher Golfplatz …
… und die immer näher kommende Trettachspitze
mit ihren fast 2600 Metern!Doch es wird tierisch steil,
egal, ob ich rauf oder runter gucke.
Und dann kommt eine Stelle, wo Annegret erneut sagt: „Ich krieg den Brechreiz!“
Das Wasser kracht gletschergrün 30 oder 40 Meter in die Tiefe, die Felswände der Schlucht stehen sich an der engsten Stelle nur 2 Meter gegenüber und oben geht ein Brückchen drüber. „Ich kann das nicht,“ wimmert Annegret, „mir wird speiübel! Ich sterbe vor Angst, wenn ich da drüber muss!“ Ich finde das auch nicht sehr witzig, aber wenigstens habe ich mit dem Klettern kein Problem. Wir kraxeln immer höher. Je mehr wir uns dem Übergang nähern, umso wimmeriger wird Annegret. Was soll ich bloß mit ihr machen? Als wir zu dem Steg kommen, ist dieser auch noch aus Gittern! Jetzt wird mir auch ein bisschen mulmig. Aber dann sieht Annegret die Querbalken am anderen Ende. Drüben geht´s nicht weiter. Der Steg ist nur für lebensmüde Fotografen. Zum Glück gehören wir nicht dazu, sondern wollen noch ein bisschen weiterleben. Annegret ist nicht in der Lage, hier ein Foto zu machen. „Nichts wie weg hier“, sagt sie. Und: „Kein Wunder, dass früher hier die Leute dachten, es wäre der Eingang zur Hölle. Das ist er nämlich auch.“ Und wir sind die einzigen Menschen hier weit und breit.
Über uns der Höfatsgipfel mit seinen 2258 Metern. Wir machen nur eine kurze Pause. Für den Abstieg nimmt Annegret den Asphaltweg. „Ich brauch wieder was Richtiges unter den Füßen“, sagt sie.
Nach über 4 Stunden sind wir wieder am Auto.
Uff, das war ´ne gute Runde.
Unter 3 Stunden tun wir´s nicht.
Dann sehe ich mir halt an, wie Nachbars Kuhkinder zur Weide gebracht werden. Das sind zwei ganz lustige, die vor ein paar Tagen kleine Messingglocken bekommen haben. Kühe zählen am Abend gibt´s übrigens nicht mehr. Wir hatten uns schon gewundert, dass wir morgens nicht mehr wie gewohnt von den Kuhglocken geweckt werden. Annegret hat sich erkundigt. Ab Mitte September kommt das Jungvieh, das bis zum Viehscheid hoch auf der Alpe war, auf die Weiden auf halber Höhe, und die Kühe, die bislang dort waren, bleiben jetzt auf den Weiden bei ihren Bauernhöfen.
So geht das hier!
Fischen ist ja so fein! „Hier riechste keinen Kuhmist,“ sagt Annegret, „was mir hier stinkt, sind die vielen Touristen.“ Wir laufen –
ich ganz kurz angehalftert – kreuz und quer, aber überall nur Sportgeschäfte, Cafés, Andenkenläden und so. Annegret gibt aber nicht auf und hat schließlich Erfolg. „O, Hannes, das wird uns aber heute Abend schmecken.“ Aus dem Rucksack kommt tatsächlich Käseduft.Der Abend bringt volle Punktzahl.
Ich warte erst einmal ab und inhaliere schon ein bisschen den Käseduft.
Klar ist aber, dass ich als großer Käseliebhaber von allen Sorten etwas abbekomme. Nur Rotwein gibt´s nicht für mich. „Du säufst schon genug“, meint Annegret.
Ich bin schon nach unserer Vorfrühstücksrunde pitschenass.
Nach dem Mittagessen wir´s aber wieder besser, also raus. Wir sind vielleicht ´ne halbe Stunde unterwegs, da kommt eine sehr schwierige Passage für Hundefüße.
Irgendwie schaffe ich das und freue mich dann über eine sehr schwierige Passage für Menschenfüße.
Irgendwie schafft sie es über die Steine, auch wenn drei wackeln.
Aber Annegret sieht es und brüllt ein so furchtbares „Aaaaaaaaaaaah!“, dass ich vor Schreck in den Knien einknicke. Und dann kriege ich was zu hören! „Fehlt es dir an irgendetwas? Versorge ich dich nicht gut genug? Wirst du bei mir nicht satt? Bist du etwa mit dem teuren Allgäukäse nicht zufrieden? Du wirst nie ein feiner Mann!“ O je, wie soll ich nur meine Ohren abschließen? Es geht sogar noch weiter. „Wart ab, wir machen hier und sofort noch einen kleinen Umweg, und dann werde ich dir Kuhfladen kaufen!“
Als sie rauskommt, bekomme ich sofort etwas angeboten. Ich bin aber skeptisch.
Doch probieren muss ich mal. Es riecht so gut.
Ooooooooooh!
Das ist die süßeste Versuchung, seit es Kuhfladen gibt!