Als wir vor über zwei Jahren in unser neues Zuhause gezogen sind, haben wir den Garten von den Vorbesitzern ziemlich sehr urwaldig übernommen.
Ich weiß noch, wie ich meinen ersten Erkundungsgang gemacht habe.
Im Garten war am hinteren Ende ein Schuppen oder so etwas ähnliches. Rappelvoll Zeugs und alles durcheinander.
O Hilfe! Ich hätte gerne alles beschnuppert, aber da kam ich gar nicht durch.
Annegret hat dann im Sommer komplett ausgemistet und alles auf den Sperrmüll getan. Und danach hat sie angefangen, Unmengen von Grünzeug wegzuschneiden. „Wir wollen doch mal sehen“, hat sie gesagt, „ob wir unseren Garten durch eine Radikalkur nicht ein paar Zentimeter größer kriegen. Nur die Steine, die Steine… wenn ich sie doch verbrennen könnte!“
Also, der Urwald war die erste Großmaßnahme. Wochenlang hat sie Grünzeugs geschnitten. Schneiden, schneiden, schneiden. Annegret, das tapfere Schneiderlein.
Und wochenlang hat sie Tonnen und Tonnen und Tonnen voll gefüllt und abtransportiert.
Und was kam zum Vorschein? Ein scheußlich verkommener Zaun.
„Na, ob der jetzt so viel schöner ist, Hannes? Was meinst du?“
Ich bin aber an anderer Stelle beschäftigt. Oben neben dem Schuppen überprüfe ich, ob es da überhaupt ein Durchkommen gibt.
Nee, hier ist alles so dicht wie eine Mauer.
„Das kommt als Nächstes dran. Alles auf einmal geht nicht. Schlimmer geht auch nicht! Deswegen kann es ja nur besser werden!“
Helfen kann ich mit meinen 4 linken Pfoten sowieso nicht. Mit denen kann ich nur graben. Und wisst ihr was? Annegret hat mir ganz am Anfang, als wir hier waren, einen Platz gezeigt, an dem ich ungestört arbeiten darf, so wie ich das gerne möchte. Das ist neben dem Komposter.
Hier kann ich nach Herzenslust buddeln, dass die Klamotten nur so ans Kellerfensterchen knallen! Von Zeit zu Zeit harkt Annegret alles wieder glatt und ich fange von vorne an. „Ich will aber nicht hoffen, Hannes, dass diese deine Grabestelle auch deine Grabstelle werden soll, oder?“
Noch vor dem Herbst fängt Annegret mit der „Hölle“ an! Damit meint sie den Schuppen und alles drum herum.
„Zur Hölle mit dieser“, sagt sie, und so schneidet und rodet und wullacht sie unentwegt. Jonas kommt auch mal für zwei Tage, um zu helfen.
Na ja, in unserem ersten Jahr ist es zumindest schon etwas besser geworden.
Das neue Frühjahr bringt neuen Schwung. Annegret meint: „Vielleicht sollte ich mal das miserable Teichbecken austauschen“.
Das wäre mir sehr recht, denn das Becken ist mein Lieblingssaufnapf.
Sieht doch gleich viel appetitlicher aus.
Mein Problem sind allerdings auch diese blöden Kieselsteine. So richtig Gas geben oder Tempo machen kann ich hier nicht.
Annegret hat schon über 70 Eimer gefüllt und weggeschafft. Trotzdem: Es wird nicht wirklich weniger. Bis – ja, bis ein Glücksfall eintritt! Unser neuer Nachbar fragt an: Er braucht in seinem Kindergarten für neue Außenanlagen jede Menge Steine. Annegret jubelt. Das wird eine tolle Aktion!
Danach kann sie schon ein bisschen Rasen einsäen.
Und dann nimmt sie sich wieder die „Hölle“ vor. Sie erklärt mir, dass der „ganze Scheiß“ weg muss und sie nicht eher ruht, bis alles besser ist. „Du kannst zusehen oder wegsehen oder weggehen oder graben gehen, is mir ejal“.
Und dann macht sie wieder wochenlang alles kurz und klein.
„Wart ab, wie das hier dieses Jahr noch weitergeht, Hannes. Du wirst dich wundern. Ich habe Superpläne!“
Und dann kommen eines Tages Gartenmänner, die all das tun, was Annegret alleine nun wirklich nicht kann: Knöterich roden, Zaunfelder neu montieren und Fundamente machen.
Ich habe keine Ahnung, wozu das gut ist, und ich soll auch nicht ständig dahin gehen und stören. So warte ich mal ab.
Kaum sind die Arbeiter weg, schleiche ich mich hin, um alles zu inspizieren.
Nanu! Was ist denn hier entstanden? Da muss ich drüber nachdenken.
Im Liegen geht das noch besser.
Jetzt hab´ ich´s: Das ist für mich! Ich glaube, das ist eine Plattform für mich! O wie schön!
Von hier kann ich viel überblicken. Danke, Annegret, danke, Annegret.
Ab jetzt verbringe ich viel von meiner Freizeit auf meinem Plateau.
„Wart´s ab“, sagt Annegret, „du wirst dich noch wundern“.
Zwischendurch machen wir unseren Bodensee-Urlaub. Als wir zurückkommen, jubiliert Annegret in den höchsten Tönen: „Hannes, sieh mal schnell, was hier für ein schöner Zaun gewachsen ist!
Aber das ist noch nicht alles!
Im Herbst kommt auf einmal ein Riesenkranwagen und lädt was für uns ab.
Einen Tag später kommen meine „lieben Onkelz“. Und damit nimmt das Unheil seinen Lauf.
Sie wollen mich gar nicht besuchen, sondern arbeiten! Und ich werde nur deswegen wahrgenommen, weil ich immer im Wege bin.
Was geht denn hier überhaupt vor?
Überall nur Bretter und Türen.
Und dann arbeiten sie auf meiner Plattform! Ich habe überhaupt keinen Platz mehr an meiner Lieblingsstelle.
Ich werde ganz furchtbar mehr als traurig.
Und alle sind soooo zufrieden, als das Häuschen fertig ist. Annegret fertigt noch ein Schild mit dem Geburtsdatum an.
Aber ich bin am Boden zerstört. Meine schöne Plattform! Futschikato!
„Ach Hänselchen, mein gutes Hänselchen! Ich brauche doch einen Platz für alle Gartengeräte und die Schubkarre und den Mäher. Pass auf, zum Advent machen wir sogar ein 4**** – Häuschen draus.“
Aber ich gucke überhaupt nicht hin. Ich vermisse meine Plattform. Gar nix ist besser geworden! Hätte ich doch wenigstens eine Hundehütte bekommen!
Euer untröstlicher Hannes
Das reinste Lesevergnügen!