Jetzt ist doch tatsächlich das eingetreten, womit ich überhaupt nicht gerechnet habe! Ich bin wieder im Allgäu!
Dass wir in Urlaub fahren, habe ich schon begriffen, denn Annegret hat tagelang davon gesprochen. Und gepackt!
Aber wohin es gehen soll, habe ich nicht verstanden.
Mittwoch, 5. Oktober:
Die Fahrt wird sehr lang, elend lang!
Annegret hört im Radio von fürchterlichen Staus vor Karlsruhe, deswegen schwenkt sie Richtung Heilbronn und landet in einem scheußlichen 10-km-Stau. Wir PKWs kommen ein bisschen besser voran als die Laster. Die stehen meistens in Zweierreihen.
Am Nachmittag – wir sind ja schon 6 Stunden unterwegs – da schwant mir was. Irgendwie habe ich in der Nase, dass es ins Allgäu geht. Und Annegret kann in der fernsten Ferne schon Berge erkennen. Ich noch nicht.
Aber ich kann nicht mehr schlafen und gucke jetzt immerfort raus.
Und dann sind wir endlich da!
Ich will sofort in unsre Wohnung und auf den Balkon und raussehen, ob alles noch gut ist.
Vor lauter Wiedersehensfreude fang ich total doll an zu zittern.
Annegret ist nicht so begeistert. „Hannes, siehst du denn nicht, dass die uns ein Haus vor die Aussicht gebaut haben? Sowas Blödes!“
Ist mir ziemlich egal. Ich weiß jedenfalls, dass es jetzt wieder raus, raus, raus geht.
Aber erst muss mal alles ausgeladen werden. Und Annegret richtet uns die Wohnung ein bisschen ein. Obwohl wir ein Doppelbett haben, muss ich davor liegen.
Da gefällt mir die andere Stelle besser. Annegret hat nämlich meine „Schlafwiese“ mitgenommen.
Donnerstag, 6. Oktober:
Das kenne ich noch, dass Annegret schon vor dem Frühstück die erste kleine Runde mit mir macht. Huch, das hat gefroren heute Nacht.
Altstädten liegt immer noch da unten in seinem Nest.
Am Vormittag machen wir ein paar Besorgungen in Sonthofen. Am Nachmittag aber geht´s richtig raus, „Altland erkunden“, sagt Annegret. Denn hier waren wir ja überall schon oft. Deswegen kenn ich auch alles wieder: Sonthofen im Tal und den Grünten gegenüber.
Und das Imberger Horn.
Und meine Tankstellen.
Ui, die Sonnenköpfe sind heute wieder Wolkenkratzer. Die haben wir ja auch mal erklettert.
Das war der Hammer überhaupt!
Ihrkönnt das hier nachlesen:
https://www.hannes-kadur.de/2010/09/nicht-ohne-meinen-rucksack/
Rindviehcher sehe ich schon wieder reichlich. Zum Glück nicht auf unserem Weg.
Und ich stelle noch was fest: Meine Beine sind dermaßen flink und flott und flitzig, dass ich schon längst über die Alpen sein könnte, wenn ich nicht an der Leine wäre, mit meiner Bleiente Annegret am anderen Ende.
„Mir tut der Fuß weh“, sagt Annegret.
Immerhin waren wir 2 Stunden unterwegs. Das ist doch schonmal ein guter Einstieg.
Freitag, 7. Oktober:
Na, so ganz doll sieht das Wetter ja nicht aus.
Die Berge sind mal grade noch zu erkennen.
Unsre Vormittagsrunde und unsre Nachmittagsrunde zusammen ergeben leider nur 2 Stunden. Es ist fies kalt. Und Annegret jammert, weil ihr Fuß weh tut. Sie erklärt mir irgendwas von Fersendorn oder Fersensporn und dass sie nicht so gut auftreten kann.
Das kommt mir aber gar nicht recht! Raus wollte ich und raus und raus! Ich bin in der Form meines Lebens!
Samstag, 8. Oktober:
Ich fasse es nicht! Es regnet! Aber wie!
Schon bei unserer kurzen Morgenrunde werde ich von dem Sprühregen pitschenass! Annegret muss mich fönen.
Auch am Nachmittag regnet es ohne Ende weiter.
Wieder werde ich so scheußlich nass. Das kann doch jetzt nicht unser Urlaub sein! Annegret meint, dass sich wenigstens ihr Fuß etwas erholen kann. „Das hatte ich vor 12 Jahren schonmal, Hannes, bei unserem allerersten gemeinsamen Urlaub in den Ardennen.“
Obwohl ich damals schon eine kleine Geschichte draus gemacht habe, fällt mir nach so langer Zeit nix mehr ein.
Kann man aber noch lesen:
https://www.hannes-kadur.de/2004/10/erster-urlaub/#more-24718329
Sonntag, 9. Oktober:
Ich bin persönlich beleidigt!
Seht euch mal diese Gegend an!
Kein Hintergrund mehr! Keine Berge! Nur Wolkengrau! So eine Gemeinheit!
„Aber wenigstens trocken“, meint Annegret trocken.
Und da wir uns so schnell nicht unterkriegen lassen, gehen wir wieder raus.
Richtung Grünten reißt es sogar ein bisschen auf.
Dafür haben wir aber bald schon ein anderes Problem:
Oh nein! Das ist ein Wanderweg! Diese blöden Rindviehcher versperren uns den Weg!
Und dann tuscheln sie noch in dieses ganze Glockengeläute rein, ob sie mich mal ärgern sollen!
Ich will sofort wieder zurück, aber Annegret unternimmt noch einen Versuch und macht die Abtrennung auf. Da kommen die tatsächlich und stupsen mich an! Nichts wie weg hier!
Auch wenn ich die aufdringlichen Viehcher nicht ausstehen kann, so lass ich doch keine Gelegenheit aus, was von ihren Fladen zu naschen. Köstlich!
Annegret zetert jedes Mal mordio, aber sie hat keine Ahnung, hat ja auch davon noch nie was probiert!
Nach dem Mittagessen bleibe ich mal vorsichtshalber an der Türe liegen.
Falls das Wetter besser wird, bin ich dann ganz schnell draußen.
Leider bleibt es so trüb, aber wir gehen trotzdem nochmal raus, 2 Stunden sogar.
Die Wolken hängen ganz tief, deswegen bleiben wir im Illertal.
Annegret wimmert, weil ihr der Fuß so weh tut. Zwischendurch in der Wohnung macht sie immer Sehnendehnen.
Montag, 10. Oktober:
Es wird und wird nicht besser. Annegrets Laune ist auch nicht mehr das, was sie mal war. Draußen ist immer noch alles grau und kalt.
Nett sind allerdings die beiden hier.
Die kommen jedesmal, wenn wir hier lang gehen, und begrüßen mich.
Aber wieder gibt es keine richtige Wanderung, sondern nur Pflichtrunden am Vormittag und Nachmittag.
Dienstag, 11. Oktober:
„Wart ab, Hannes, wie es heute wird. Es ist ein bisschen besser gemeldet.“
Kann ich nicht feststellen. Ich meine, die Wolkenschicht wäre noch tiefer gesackt.
Also fahren wir zur Abwechslung mal bis Fischen und gehen dort etwas raus, aber nicht zum Fischen,
sondern nur so an der Iller und im Wald und im Ort.
Und Annegret kauft mir noch was ganz, ganz Leckeres, weil ich bei Laune bleiben soll.
Putenherzen! Njam, njam, njam.Die werden aber erstmal gekocht.
Am Nachmittag endlich kriegen die Wolken Struktur.
„Nix wie raus, Hannes! Fuß is ejal, was uns nicht umbringt, macht uns noch härter!“
Das lass ich mir nicht zwei Mal sagen. Seht ihr, wie ich federe?
Wir klettern im Leybachtobel rum,
ich immer vorneweg,
Das ist jetzt alles nach meinem Geschmack!
Dann schlagen wir den Reinersbergweg ein und kommen nach Hochweiler.
Hier erwischt uns allerdings ein Graupelschäuerchen. „Is ejal“, meint Annegret.
Und dann? Ja, seht euch das mal an! Lamas!!!
„Spuckt mir bloß nicht auf die Linse!“ sagt Annegret.
Sie ist auf einmal in bester Stimmung, weil sie endlich außer Wolkenbergen auch wieder ein paar echte sehen kann.
Und zum Schluss gibt´s noch einen Segen für den Rückweg.